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Helden des Alltags: Der Mann mit den Müllaugen

Aktualisiert: 2. März 2020

Wann es mit all dem begonnen habe? Sicher nicht schon in der Jugend, da habe er wohl wie alle anderen auch ab und zu etwas weggeworfen, ohne darüber nachzudenken. Erst als er erwachsen war, so mit ca 40 Jahren, habe es plötzlich, über Nacht, angefangen. Bei einer seiner nächtlichen Touren sei ihm ein Tetrapack Eistee auf dem Gehweg aufgefallen. Erst habe er damit gerechnet, dass die Gemeindemitarbeiter das aufräumen würden - schliesslich zahlen wir ja alle Steuern. Doch nichts passierte..drei Wochen lang. Der Tetrapak begann sich aufzulösen. Da machte es bei ihm „klick“ : Ab diesem Zeitpunkt konnte er nicht mehr anders, er musste es einfach tun: nachts Müll aufsammeln! Inzwischen wie ein Profi ausgestattet mit Taschenlampe, Müllsack und Stock.



Mehrmals die Woche säubert er etwa ein Drittel der Gemeindefläche von Ebikon und räumt weg, was die Menschen liegen lassen. Obwohl er wisse, dass es vor allem Jugendliche seien, würde er sie nie darauf ansprechen. Vermutlich habe er sich früher auch so verhalten. Aber die Art und Menge des Mülls hätten zugenommen. Aufgefallen seien ihm unglaublich viele Verpackungen von „Capri-Sun“. Aus Neugier habe er das Getränk einmal gekauft und probiert: „Ekelhaft, pure Chemie!“ Wie man so etwas trinken könne? Oder die 2l-Tetrapacks mit Eistee! Pizzaschachteln seien ganz schlimm, sie würden die Müllkübel verstopfen. Zum Glück helfe ihm da sein grosses Gewicht: er nehme sie raus und stelle sich drauf, und schon seien sie viel kleiner. Oft finde er Essensreste, beispielsweise ganze Sandwiches. Mit Petflaschen und Dosen habe er kein Problem: einfach draufstehen, und schon seien sie platt! Er kenne alle „Hot-Spots“ für Müll wie Spielhimmel, Wydenhof und andere Schulhäuser, Ladengasse, Bahnhof, und auch die Zeiten, in denen „Partys“ gefeiert werden. Die Gemeindemitarbeiter würden ihr Bestes geben und immer am Montag, Mittwoch, Freitag kommen. Wenn dann aber Freitagabend wieder „gefeiert“ werde, müsse er einfach anschliessend aufräumen, damit die Mütter mit den Kindern am Samstag auf dem Spielplatz nicht entsetzt wieder umkehren müssten: all die Flaschen mit Whiskey und Wodka, oder ganze Paletten voll Bierdosen mit bis zu 24 Stück, die teilweise noch voll herumliegen würden, oder geöffnet und teils noch mit Inhalt. Unvorstellbar, wenn ein Vierjähriger so etwas finden und davon trinken würde...

Das mit dem Müll „gehe ihm einfach auf den Sack“. Etwas besser sei die Situation geworden seit Eröffnung der Mall of Switzerland - das sei nun ausserhalb seines Gebietes. Gut zehn Jahre schon mache er diesen Job, freiwillig, und fühle sich nach jeder nächtlichen Tour richtig glücklich. Mittlerweile könne er in stockdunkler Nacht jeden Gegenstand vor sich auf dem Weg entdecken. Müllaugen habe er entwickelt! Auch habe er gemerkt, dass das viele Bücken und Laufen eine Art Fitness sei für ihn, dass er seither weniger Rückenschmerzen habe. Er habe mitbekommen, dass es seit zwei Jahren einen neuen Fitnesstrend aus dem hohen Norden geben würde: Plogging – Müll sammeln und joggen. Nun ja, das mache er, wenn auch nicht joggend unterwegs, schon länger. Er, der sich krankheitsbedingt tagsüber so gut wie nie unter die Leute begeben kann. Er wolle mit seiner „Müllmission“ auch etwas zurückgeben, betont er – da ihm vom Staat wegen seiner Krankheit geholfen werde.

Und das ist wirklich viel, was dieser Mann zurückgibt. Für mich ist er einer der verborgenen Helden des Alltags!


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